Adolf Schlatter: Leben, Werk, Wirkung
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Adolf Schlatters theologisches Lebenswerk zählt zweifellos zu den vielseitigsten und produktivsten Entwürfen, welche die evangelische Theologie im deutschsprachigen Raum seit Schleiermacher hervorgebracht hat:1 Sein weit über 400 Titel zählendes Gesamtwerk umfasst nicht nur zahlreiche Veröffentlichungen zum Neuen Testament und zum neutestamentlichen Judentum, sondern auch zum Alten Testament, zur Kirchengeschichte, zur Dogmatik, zur Ethik, zur praktischen Theologie und zur Philosophie – ganz zu schweigen von den vielen unveröffentlichten Manuskripten zu allen Disziplinen der Theologie, die sich noch in seinem Nachlass befinden.2 Als Schlatter 1938 im Alter von beinahe 86 Jahren starb, hatte er sich über Deutschland hinaus Anerkennung als großer Ausleger des Neuen Testaments verschafft. Der bekannte anglikanische Bischof Stephen Neill zählte ihn zu den bleibend bedeutsamen Schriftauslegern der Kirche und nannte ihn in einem Atemzug mit Augustinus, Calvin, Bengel und Westcott.3 Erst durch die Schlatter-Forschung der vergangenen Jahrzehnte hat sich mehr und mehr herauskristallisiert, dass Schlatter darüberhinaus zu den bedeutenden systematischen Theologen des 20. Jahrhunderts gehörte, ja dass er in einem beachtlichen Maß Einsichten hinterlassen hat, die auch für Theologie und Kirche des 21. Jahrhunderts von Bedeutung sind.
Schlatter ist freilich kein einfacher Autor. Durch seinen von vielen (nicht allen!) Lesern als ausgesprochen schwierig empfundenen Sprachstil, aber auch durch viele gegen den Trend des zeitgenössischen Protestantismus stehende theologische Überzeugungen und nicht zuletzt durch die schwer zu überblickende Breite seines Schaffens und Wirkens haben viele ihn nicht verstanden oder gar missverstanden und so keinen Zugang zu ihm gefunden. Andererseits hat Schlatter bis auf den heutigen Tag über die nationalen und konfessionellen Grenzen hinweg immer wieder eine Aufmerksamkeit gefunden, die aufhorchen lässt. Wer war dieser Mann, der auch für viele Kenner der neueren Theologiegeschichte ein vom Geheimnis umwitterter Unbekannter geblieben ist? Wir wollen heute mittag eine erste Annäherung versuchen, indem wir uns sein Leben (II.), sein Werk (III.) und seine Wirkung (IV.) vergegenwärtigen.
Der Wuppertaler Dogmatiker Johannes von Lüpke (Vorwort zu J. von Lüpke [Hg.], Adolf Schlatter. Glaube und Wirklichkeit. Beiträge zur Wahrnehmung Gottes, Stuttgart 2002, 7–12) hat zu Recht festgestellt: „Es dürfte in der Theologiegeschichte nach Schleiermacher kaum einen anderen Autor geben, der so weit ausgreifend, so tiefgründig und so ins Einzelne gehend, das Ganze der Theologie bearbeitet hat wie Adolf Schlatter“ (7).
Eine vollständige Liste der im Adolf-Schlatter-Archiv befindlichen (weit über 1000 Titel umfassenden!) Bestände findet sich im Inventarverzeichnis des Archives: Adolf-Schlatter Archiv. Inventar. Erstellt von E. Bock. Als Manuskript gedruckt, Landeskirchliches Archiv/Bestand D 40, Stuttgart 1988.
The Interpretation of the New Testament. 1861–1961, London/New York/Toronto 1964, 337.